Lesen, Schreiben und Rechnen waren in Nordrhein-Westfalen noch nie so schlecht

Das Institut für Qualitätsentwicklung im Bildungswesen (IQB) untersuchte, inwiefern Viertklässler*innen die bundesweit geltenden Bildungsstandards der Kultusministerkonferenz (KMK) in den Kernfächern Deutsch und Mathematik erreichen. Die Ergebnisse in Nordrhein-Westfalen sind alarmierend. Im Vergleich zu den Ergebnissen, aus den Jahren 2011 und 2016, haben sich die Kompetenzen bundesweit verschlechtert. „Der negative Trend hat sich seit 2016 sogar verstärkt“, appelliert das IQB. Zum einen hat der Anteil der leistungsstarken Schülerinnen und Schülern, die den Regelstandard in den genannten Unterrichtsfächern erreichen, abgenommen. Zum anderen hat der Anteil der Lernenden, welche den Mindeststandard in allen Kompetenzbereichen nicht erreichen und somit der Gefahr ausgesetzt sind, einen weniger erfolgreichen Bildungsweg zu absolvieren, enorm zugenommen. Kurzgefasst hat jeder fünfte Viertklässler Schwierigkeiten mit dem Lesen und Rechnen. Fast jeder Dritte hat erhebliche Defizite bei der Rechtschreibung. „Die Ergebnisse sind ein Weckruf an die Politik weit mehr als bisher in das Bildungssystem zu investieren“, äußern sich die Verbände.

Der Negativtrend scheint im ersten Blick ein Resultat der Corona-Pandemie zu sein. Jedoch ist dieser Anschein für Deutschland nichtzutreffend. Beispielsweise lag der Mittelwert der erreichten Kompetenzen des Kompetenzbereiches Lesen 2011 bei 500 Punkten, 2016 lag er bei 493 Punkten. Nun liegt der Mittelwert bei 471 Punkten. Bei der Rechtschreibung fallen die Ergebnisse noch schlechter aus. 32,6 Prozent der untersuchten Grundschüler*innen an Rhein und Ruhr weisen große Defizite beim Schreiben auf. Unter allen Grundschülern beherrschen circa 4 Prozent eine einwandfreie Rechtschreibung. 2016 hatten nur 23,9 Prozent der Lernenden Probleme beim Schreiben. Im Kernfach Mathematik fallen die Ergebnisse, im Vergleich zu den anderen Bundesländern, deutlich schlechter aus. 47,3 Prozent der Grundschüler, also fast jeder zweite Viertklässler, schafft den vorgesehenen Standard. Bayern hingegen erreicht mit 66,6 Prozent einen Spitzenwert. Dorothee Feller (CDU, NRW-Schulministerin) äußert sich wie folgt zu dem dritten IQB-Bildungstrend: „Die Ergebnisse sind ein Alarmsignal. In allen untersuchten Leistungsbereichen sind die Kompetenzen unserer Schülerinnen und Schüler am Ende der Grundschulzeit im 10-Jahresvergleich erkennbar schlechter geworden. Der Bildungstrend legt die Schwachstellen unseres Schulsystems schonungslos offen. Den Ergebnissen müssen wir uns stellen und uns fragen, was wir alle gemeinsam besser machen müssen. Wir haben viele gute Maßnahmen, Ansätze und Ideen. Aber offensichtlich ist es uns bisher nicht gelungen, mit den gesellschaftlichen Veränderungen Schritt zu halten“.

Für den Negativtrend sind, laut Karin Prien (Präsidentin der KMK und Ministerin für Bildung und Wissenschaft), folgende Faktoren verantwortlich: Erstere nennt sie den späten Einsatz der systematischen Diagnostik und differenzierten Förderung im Bildungsverlauf. Deutschland investiere zu wenig in den Elementarbereich. Der Umgang mit Heterogenität in der Schülerschaft sei gescheitert. Die Kompetenzeinbußen für Kinder mit Zuwanderungshintergrund fallen überwiegend größer aus. Die zuwanderungsbezogenen Disparitäten haben sich in allen Bereichen verstärkt. Die Faktoren der Corona-Pandemie- die mangelnde technische und räumliche Ausstattung zu Hause, pandemiebedingte Schulschließungen und der begrenzte Kontakt zu den Mitschülern und Mitschülerinnen- haben den Rückgang des Lernerfolgs der Grundschüler*innen und dementsprechend den Negativtrend verstärkt, laut Karin Prien.

Nun ist es die Aufgabe der KMK für mehr Bildungsgerechtigkeit zu sorgen, um mit dem gesellschaftlichen Wandel Schritt zu halten